Zum Glück hatte ich eine gute Nachbarin, Beatrice. Sie war grad auf Rückreise aus Madrid. Dort hatte sie ihren jüngsten Sohn besucht, weil dieser im August Vater geworden ist. Wir tauschten ein paar Fotos unserer Liebsten aus, die wir natürlich im Handgepäck hatten und plauderten etwas über Gott und die Welt. Schon im Flieger merkte ich wie nett die Portenos, die Einwohner von Buenos Aires, sein können. Sie gab mir Bonbons, bestellte mir Bier und Essen.. mir war das schon etwas unangenehm gewesen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir den südamerikanischen Kontinent. Wir waren grad über Brasilien, als die Sonne unterging. Die Aussicht war der Hammer ! Überall waren Flüsse und Seen, dazwischen nur Grün. Leider ging die Sonne innerhalb von wenigen Minuten unter und so war es schon sehr dunklel über BA. Ich habe noch nie eine solch krasse Stadt gesehen, überall waren Lichter, ich habe kein Ende gesehen. Eigentlich sah es so aus, als ob mehrere Großstädte direkt nebeneinander lagen. Gleichzeitig wuchs in mir ein mulmiges Gefühl.. Dann landeten wir und Beatrice verabschiedete mich per Wangenkuss, wie es hier üblich ist.
Auf dem Flughafen dauerte das Auschecken länger als geplant. Eigentlich wollte ich gegen 19.30 Uhr im Hostel sein, ich war etwa 22 Uhr dort und lernte ein wichtiges Grundprinzip des Reisens: Nicht planen, es kommt sowieso anders als erwartet und man hat nur unnötig Stress, wenn man sich zu sehr an seinen Zeitplan klammert, der so gut wie nie hinhaut.
Andersherum weiß man mit gewonnener Zeit nichts Sinnvolles anzufangen, wenn man mal gut im Rennen liegt.
Okay, nach etwa einer halben Stunde Taxifahrt war ich im Hotel. Dort wartete auch schon mein Vermieter, Emanuel, auf mich: "Aaaah, RRRené, you´re late, no problema, muchacho." Er gab mir die Schlüssel für mein Zimmer, wies mich kurz ein und holte noch nen Statdplan raus und erklärte mir locker ne halbe Stunde, was ich alles machen könne in BA. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich sehr lange unterwegs war und er entließ mich auf ein Zimmer. Es war sauber, aber dennoch schäbig und abgenutzt. Das interessierte mich nicht, ich wollte nur noch schlafen...
Am ersten Tag ging ich gleich mal in den Zoo und erkundete die Gegend um meinem Hostel. Es war schon komisch und mir kam es gar nicht so vor, auf einem anderen Kontinent zu sein. Der Zoo war ganz in Ordnung für den Anfang. Das kommende Wochenende beging ich einen sehr großen Fehler. Ich blieb gleich mal an Tag 2 und 3 mehr oder weniger im Hostel vorm Laptop kleben. Das schürte Unsicherheit und mir gingen Dinge durch den Kopf wie: Was mache ich hier überhaupt? Buenos Aires, man.. bist du dem überhaupt gewachsen? Und du kannst kein Wort Spanisch ! Wie soll es weiter gehen und und und... Die falschen Fragen mal wieder, die ich mir wie fast jeder Mensch schon in Deutschland gestellt habe.
Die nächsten Tage verliefen mit gemischten Gefühlen. Ich vermisste meine Liebsten zu Hause und konnte meine pseudomäßigen - dennoch eindrucksvollen - Stadtausflüge und Museumsbesuche nur bedingt genießen. Der Friedhof in Recoletta ist aber ein absolutes Muss für jeden BA-Touri. Dort habe ich viele Stunden verbracht und nur gestaunt. Und auch viel über das Leben nachgedacht, ich war immerhin auf einem Friedhof.
Nach einer Woche sollte es sehr viel besser werden, als ich ins 4-Mannzimmer wechselte. Ich lernte Leonardo (27), einen sehr sehr korrekten und herzlichen Kolumbianer, kennen. Das "Problem" war die Sprache. So wie ich Spanisch beherrschte, konnte er Englisch sprechen. Er kommt aus Bogota und hat hier ein Cafe eröffnet, sofern ich das richtig verstand. Wir kommunizierten die erste Zeit über google-translater. Ich kam mir vor wie Stephen Hawking, bloß dass ich noch sprechen konnte.
Am Freitag Abend saß der Frust oder das, ich sage mal Problem-Denken, immer noch etwas tief. Ich holte mir 2 Bier (die reichen auch erstmal ne Weile, bei 1L/Flasche), stellte die ganze Situation in Frage und betrank mich vorm Laptop auf dem Zimmer. Nach der Hälfte des zweiten Bieres, kam Leo gegen 22 Uhr nach Hause. Mein Bier hatte ich unaufsichtlich zwischen Bett und Nachttisch versteckt. Er schaute mich an: "Hola, que tal ?" - "Bien, gracias" Wir schauten uns an ich bemerkte, wie er einen Whiskeyflachmann vor mir versteckte. Ich sagte: " No no no..." und zeigte ihm meine Ein-Liter Bierpulle. Das war das erste mal, dass ich so richtig herzhaft Lachen konnte und Leo natürlich auch. Wir tranken Bier und Whiskey zusammen aus und er tippte auf seinen Laptop in den Translater: Verlassen ? und zeigte zur Tür. Wir kauften noch einen Liter Bier für unterwegs und gingen nach Palermo in die Stadt. Dort tranken wir weitere Liter und irgendwie verstanden wir uns immer besser. Der Abend war sehr cool, es war viel los auf den Straßen und die Leute waren sehr offen. Kein Hauch von Aggressivität in der Luft, dafür der Duft jeder Menge Gras. Wir kamen zu der Erkenntnis, dass unsere Heimatländer durch Adolf Hitler und Pablo Escobar ziemlich viel Klischeedenken bei anderen Ausländern auslöst und mussten lachen, wie sehr oft an diesem Abend. Außerdem einigten wir uns darauf das Lachen auch eine Sprache ist, und die auch jeder versteht. Irgendwann zwischen 2 und 3 Uhr waren wir wieder im Hostel, da Leo wieder um 10 in sein Cafe musste. Ich schlief in Ruhe aus.
Stepano, ein Italiener, den ich ein paar Tage zuvor beim Frühstücken kennen lernte, fragte mich, ob ich mir ein argentinisches Fussballspiel anschauen mag. Für 400 Pesos, was etwa 35-55 Euro beträgt, je nachdem ob man sein Geld bei der Bank holt oder die wertvollen Dollar gegen die inflationösen Pesos in der Fußgängerzone tauscht. Klar, bin ich dabei. Es holten uns gegen 14 Uhr ein Argentinier und ein Spanier ab. Wir fuhren mit dem Bus zum Stadion von San Lorenzo, dem aktuellen Tabellenführer in Liga 1. Nach einem kurzen Snack und ner Sprite gings auch schon ins Stadion.. Ich war in fast jedem Fussballstadion der ersten und zweiten Bundesliga in Deutschland, wenigstens einmal gewesen. Aber das hier war was anderes. Die Infrastruktur ist fürn Arsch, das muss man ganz ehrlich sagen. Die Atmosphäre war jedoch einmalig, obwohl das Stadion nur zu 2/3 gefüllt war. Macht immer noch etwa 30.000 Zuschauer. San Lorenzo gewann zum Glück 3-0, was die Atmosphäre und Stimmung natürlich auf den Höhepunkt brachte. Es roch 90 Minuten ununterbrochen nach Gras, aber die Leute supporteten ihr Team als wären sie auf Chemie.
Ich war durch den Freitag mit Leo und den ganzen Eindrücken vom Fussball etwas grocky und so ging ich Samstag zeitig schlafen. Sonntag wollten Stepano, Leo und ich nach San Telmo. Dort ist dann immer eine Art Wochen- und Trödelmarkt. Leider stiegen wir ihn die falsche Linie und fuhren locker 20 Minuten in die Falsche Richtung. Da wir eigentlich um 13 Uhr loswollten, es dann aber erst 15.30 Uhr wurde und nun schon 16.30 Uhr, ehe wir wieder am Ausgangspunkt waren, entschieden wir uns für einen normalen Spaziergang Richtung Hostel zurück. Am Montag kam endlich mal ne Deutsche ins Hostel, Johanna(25). Sie kommt aus Essen und war direkt nach dem Abi schon mal in Südamerika für 10 Monate unterwegs. danach hat sie studiert, zweimal, und abgebrochen. Nun ist sie mit ihrem letzten Hab und Gut nach BA und will sich hier niederlassen. Sie denkt ähnlich wie ich über Deutschland und das Leben überhaupt, ist aber auch trotzdem ne Spur krasser drauf. Kleines Beispiel: Ich lerne sie Montag mittag kennen, ich koche mir grad was zu Essen. Wir verabreden uns für Abend zur Show "La Bomba de Tiempo" - in etwa die tickende Zeitbombe. Als sie mich am Abend abholt, hat sie an jeder Stelle ihres Kopfes nur noch 2-3 mm Haar, wo ein paar Stunden zuvor etwa 30-40 cm waren. Sie habe nicht nachgedacht und wollte das schon immer mal machen meinte sie. Okay...
Der Abend war der Hammer. Bei der besagten Show, trommelten Musiker das Publikum in Trance, die Musik war einzigartig. Um 22 Uhr mussten wir die Location verlassen und um ein paar Straßen weiter verlagert werden. Etwa 500 Mann gingen nicht, sondern tanzten sich nach vorne. Ein einzigartiger Moment. Der zweite Part des Abends war, zumindest von der Location her, genau das Gegenteil. Ein sehr kleiner, in zwei Räume geteilter, Club, in denen trotzdem die gleiche Musik lief. Nach 2 Stunden ging es weiter mit Live-Musik. Da ich nur noch 7 Pesos hatte, was in etwa einem Euro entsprach, konnte ich mir kein Bier holen- was auch nicht mehr nötig war.. Ich lernte 2 Brasilianer kennen, die mir immer wieder ihren 1L Becher in die Hand drückten: "Drink, driiiink !!" Okay, I drunk and so I was drunken. Muchas gracias, Fellipe. Die waren auch mehr als korrekt.
Ich weiß nicht mehr wann, aber irgendwann fand ich Johanna wieder oder sie mich und wir gingen Richtung Bus, der uns fast vors Hostel fuhr. Nun mache ich etwas Schongang, für Geist und Geldbeutel ganz gut. Ich habe noch 5 volle Tage in BA. Ich werde mir sicher noch ein oder zwei Tage für Sightseeing geben, wobei ich schon vieles gesehen habe. Andererseits bekomme ich langsam ein Gespür für die "kleinen" Sehenswürdigkeiten, die nicht so touristisch sind. Oder auch einfach nur im Restaurant abhängen und andere Menschen beobachten. Das macht langsam echt Spaß. Warum ich aber eigentlich nur noch länger bleibe ist, weil ich endlich richtig ins Spanische reinkommen will. Deshalb wars das erstmal. Zuviel Deutsch ist nicht gut, weder für die Sprache noch das Denken ;-)
Ich weiß nicht mehr wann, aber irgendwann fand ich Johanna wieder oder sie mich und wir gingen Richtung Bus, der uns fast vors Hostel fuhr. Nun mache ich etwas Schongang, für Geist und Geldbeutel ganz gut. Ich habe noch 5 volle Tage in BA. Ich werde mir sicher noch ein oder zwei Tage für Sightseeing geben, wobei ich schon vieles gesehen habe. Andererseits bekomme ich langsam ein Gespür für die "kleinen" Sehenswürdigkeiten, die nicht so touristisch sind. Oder auch einfach nur im Restaurant abhängen und andere Menschen beobachten. Das macht langsam echt Spaß. Warum ich aber eigentlich nur noch länger bleibe ist, weil ich endlich richtig ins Spanische reinkommen will. Deshalb wars das erstmal. Zuviel Deutsch ist nicht gut, weder für die Sprache noch das Denken ;-)
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